Tag 5
in den Gassen der Stadt
Heute erkunden wir die Insel. Während einer Stadtführung erfahren wir einiges über Ilha de Mosambique. 7.000 Menschen leben hier vom Handel und Fischfang. Heute ist auf der Insel noch immer eine beeindruckende Anzahl kolonialer Bauten erhalten. Trotz zerfallener Fassaden spürt man hier noch immer den Glanz und Reichtum der portugiesischen Kolonialzeit. Besonders beeindruckend sind die lusitanischen Paläste, das Hospital und das alte Fort welches während der vielen Angriffe den Bewohnern der Insel Schutz und Zuflucht geboten hat. Der lange Bürgerkrieg der 70er und 80er Jahre hat verhindert, dass die Insel vom Tourismus entdeckt und umgestaltet wurde. Noch zeigt sich die Insel dem Besucher unverfälscht und authentisch. Die Menschen sind offen und neugierig.
Die Hauptstrasse von Ilha de Mosambique liegt etwas erhöht. Dadurch befinden sich die Behausungen der Einheimischen rechts und links neben der Strasse 3 bis 4m tiefer.
So kann man beim Rundgang durch die Stadt einen Blick von oben in die Vor- und Innenhöfe und Wohnungen der kleinen Häuser werfen. Im Hospital, einem mächtigen kolonialem Bau mit schmiedeeisernen Toren dicken Mauern, werden die Kranken mit einfachsten medizinischen Mitteln behandelt. Es fehlt am Notwendigsten. Wir spenden etwas Geld. Mehr können wir nicht tun. Der Markt in der Nähe des Hospital ist mit einem arabischen Basar vergleichbar. Neben Obst, Gemüse, Kleidung und gebrauchten Fernsehgeräten werden Ersatzteile für Auto- und Moped angeboten. Hier lässt sich um alles feilschen. Im Kino des Ortes haben Jugendliche einige Verstärker aufgebaut und zeigen uns, was sie auf der E-Gitarre alles draufhaben. Am Ufer sitzen Kinder im Schatten großer Bäume. Ich schaue ihnen beim Glasperlenspiel zu. Nach einer Weile soll ich mitmachen und die Perlen auffangen welche hochgeworfen werden. Während die Perlen zur Erde zurückfallen soll ich mit dem Zeigefinger einige Symbole in den Sand malen… und erst dann die Perlen auffangen. Ich stelle mich so ungeschickt an, dass eine Freude ist, - für die Kinder. Nach Abklingen der Mittagshitze gehen wir baden. Die Badestelle liegt in Nähe des Hotels. Neugierig werden wir von den Schülern der Internatsschule von Ilha umringt und aufgefordert, beim Strandfussball mitzuspielen. Machen wir! Danach gemeinsames Baden und gegenseitiges kennen lernen. Woher, weshalb, warum?! Für einen Augenblick sind wir mittendrin statt nur dabei. Die Verständigung in Englisch mit den Kindern und Jugendlichen ist kein Problem. Sie lernen bereits Englisch in der Schule. Das gilt für alle Orte an denen wir in Mosambik unterwegs waren. Im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Ländern herrscht hier Schulpflicht für alle Kinder. Wohl eine der besten Errungenschaften der Frelimo Regierung.
hoffentlich sind die Behälter sauber
Vor dem Weiterflug müssen wir tanken. Besonders knifflig, - an diesem Tag gibt es nirgendwo auf der Insel Autobenzin. Überall wird uns nur Diesel angeboten. An AVGAS ist hier überhaupt nicht zu denken. Diesen gibt es nur an ausgewählten Flugplätzen im Land. Nach langer Suche wird uns ein Händler auf einem Straßenmarkt in Lumbo empfohlen. Nach Stunden entdecken wir ihn zwischen vielen bunten Ständen an denen neben Gewürzen alle möglichen und unmöglichen Dinge angeboten werden. Verschmitzt führt er uns nach hinten. Er zeigt auf einige große Plastikkanister die zwischen Bergen von Mehl- und Zuckersäcken liegen und deren Aufdruck als Inhalt Mayonaise vermuten lässt, - Gasolina! Er bietet uns eine Geruchs- und Geschmacksprobe an. Wir sollen uns überzeugen, dass es sich um Autobenzin und nicht um Diesel oder Mayonaise handelt. Über die Oktanzahl wissen wir nichts. Genauso wenig, ob es mit Diesel gestreckt wurde, - eine übliche Methode hier. Was solls, wir haben keine andere Wahl. Wir müssen weiter und werden uns handelseinig. Mit 12 x 20l Mayonaise-Kanistern erreichen wir den Flugplatz. Mit gemischten Gefühlen entleeren wir den Inhalt in die Flugzeuge. Wir sind eben in Afrika und nicht Europa, und… es wird schon nichts passieren. Wie immer auf unseren Flugreisen durch Afrika vertrauen wir unserer Erfahrung und dem Bauchgefühl. Um Wasser im Kraftstoff auszuschließen erfolgt noch mal die Drainage des Kraftstoffsystems aller Flugzeuge.
Fischerdorf entlang der Küste
Nach Abschluß der Flugplanung geht es von Lumbo über die Küste weiter nach Pemba, nachdem wir uns mit einigen tiefen Überflügen von Ilha de Mosambique verabschiedet haben. Mit 140nm nur „ein Katzensprung“ wird dieser Flug zu einem der schönsten Erlebnisse auf dieser Reise.
Wir fliegen direkt an der Küste entlang. Obwohl die Rotax-Motoren ihre Unzufriedenheit über die niedrige Oktanzahl des Kraftstoffes laut kund tun, sind es unvergessliche Eindrücke. Ruhig, fast bewegungslos zieht die Küste des indischen Ozeans unter uns vorbei. Die Gegend ist nur dünn besiedelt.
Nur selten überfliegen wir eine Siedlung oder ein Fischerdorf. Die wenigen Menschen denen wir begegnen sind mit dem Einholen der Fischernetze und Reussen beschäftigt. Das Meer zeigt sich in den schönsten Farben. Korallenriffe und Sandbänke sind im flachen Wasser gut zu erkennen. Etwas weiter vom Ufer entfernt entdecken wir einige Delfine. Die Landschaft wirkt unwirklich, - fast kitschig und scheint dem Katalog eines Reiseveranstalters entnommen zu sein.
Als wir die Mündung des Rio Lurio überfliegen, können wir das Schauspiel bewundern wenn sich Süß- mit Salzwasser mischt. Das Spektrum reicht von Hellbraun bis Türkis und Hellblau.
Anflug auf Pemba
Nach 1h Flugzeit melden wir uns beim Tower in Pemba Airport (FQPB) an. Als die ca. 1.600m lange Asphaltpiste des Flughafens bereits in Sichtweite ist, meldet sich eine südafrikanische Linienmaschine beim Tower zur Landung. Nun passiert das unfassbare. Unsere „Samba-Formation“ ist im Anflug noch ca. 10nm vom Airport entfernt. Der Controller nimmt´s gelassen. Anstatt dem viel schnelleren Airbus A310 die Landenummer 1 zuzuweisen, schickt er diesen in die „Holding Pattern south of the Airfield“ und bittet uns den Anflug fortzusetzen. Wir trauen unseren Augen und Ohren nicht. Der Airbus der uns bereits überholt hat, dreht nach rechts und beginnt zu kreisen, während wir unseren Anflug mit 100kt fortsetzen. Erst nachdem wir gelandet sind erhält der A310 die Freigabe zur Landung. Die beiden südafrikanischen Piloten freuen sich sichtlich, uns hier zu treffen. Offensichtlich hat es der Buschfunk unter den Piloten bereits in ganz Mosambik verbreitet: eine Gruppe deutscher UL-Piloten ist in Mosambik unterwegs. Ein absolutes Novum. Wir werden ins Airbus Cockpit eingeladen und voller Neugier mit den üblichen Fragen überhäuft: Wieso, weshalb und warum wir hier fliegen usw.. In Pemba treffen wir wieder einige Buschpiloten welche wir bereits an anderen Plätzen kennengelernt haben. Die meisten von ihnen sind im Auftrag von Hilfs- oder Wildlife Organisationen im Land unterwegs. Privatfliegerei ist hier weitgehend unbekannt. Während des small talk erfahren wir, dass der Gorongoza Nationalpark wg. großer Buschfeuer geschlossen werden musste. Wie wird es wohl Carlos und seinen Rangern jetzt gehen? Sicher haben sie alle Hände voll zu tun, um die Buschfeuer von der Lodge fernzuhalten.
Mit 55.000 Einwohnern ist Pemba die nördlichste Großstadt des Landes und Hauptstadt der Provinz Cabo del Gado. Von hier sind es nur noch 250km bis zur Grenze von Tansania.
Airport Pemba gehört zu den auserwählten Flugplätzen, an denen AVGAS verfügbar ist, - heute ist unser Glückstag. Wir tanken für 1,40$/l, geben den Flugplan auf und starten Richtung Norden. Unser Ziel ist die Insel Ibo, ca. 70km nördlich von Pemba gelegen. Ibo ist ein mangrovengesäumtes Eiland am nördlichsten Rand einer Inselkette welche sich von Pemba aus entlang an der Küste nach Norden erstreckt. Die Insel liegt ca. 10km vom Festland entfernt. Ein Besuch der Insel wurde uns wärmstens und wortreich von Alves Gomez empfohlen und soll nun den nördlichsten Punkt unserer Reise markieren. In den kommenden Tagen würde es wieder zurück Richtung Maputo und im Anschluss nach Brits in Südafrika gehen.
Auf dem Weg nach Ibo überfliegen wir die vorgelagerte Inselkette. Wieder einmal ist es ein malerischer Anblick. Die Augen wissen nicht, wo sie zuerst hinschauen sollen. Im flachen Wasser sind Fischschwärme zu erkennen. Auf einigen der Inseln ist der von dichten Mangrovenwäldern flankierte Strand so breit und eben, dass wir hier ohne Probleme direkt auf dem festen Sandstrand landen könnten. Die Verlockung ist groß, - doch wir belassen es bei tiefen Überflügen. Auf einigen der Inseln sind verfallene Gebäude zu erkennen, die an militärische Anlagen bzw. Kasernen der Portugiesen erinnern. Wir entdecken einige Landepisten. Beim Überflug wird uns klar, dass hier eine Landung lebensgefährlich ist. Scheinbar wurden die Pisten im Bürgerkrieg zerstört, um eine Landung von Militär-Transportflugzeugen zu verhindern.
Ibo Island der Tower
Nach 40min Flugzeit und unzähligen Abstechern rechts und links der Route erreichen wir Ilha de Ibo. Wir müssen eine Weile suchen, bis sich die dicht von Buschwerk flankierte 950m Busch- und Grasspiste offenbart. Bei 25kt Ostwind ist die Landung mit unseren Microlight Aircrafts auf der Piste (18/36) keine einfache Sache. Ich bin Landenummer 1. Gas auf Mittelstellung, Verstellpropeller auf kleineren Pitch und die Maschine wird deutlich langsamer. Mit 60kt fliege ich die Piste von Norden zur 18 an. Die Landeklappen bleiben bei diesem Seitenwind in Stellung 0 Grad. Alles andere macht hier keinen Sinn. Nachdem der Schiebeflug nicht ausreicht, beginne ich nach dem Reduzieren der Geschwindigkeit mit einem Slip. Kurz über der Bahn ausleiten und… dort warten wg. dem seeseitigen Bewuchs bereits heftige Leewirbel auf mich. Also wieder Gas rein und im Tiefflug über die Bahn. Gas langsam raus und Flairen. Die Samba setzt auf, tänzelt noch etwas um die Längsachse (muß wohl am Namen liegen), - geschafft! Per Funk erhalten die anderen Piloten eine kurze Info zum Anflug und zur Beschaffenheit der Piste. Drei weitere Maschinen landen ebenfalls, mehr oder weniger gebeutelt von den Fallwinden der Leeseite.
. Dann passiert es: die fünfte und letzte Maschine unserer Samba Formation leitet den Slip zu spät aus und berührt beim Aufsetzen mit der linken Tragfläche die Piste. Der sofort eingeleitete Durchstart missglückt. Das Flugzeug wird zu steil nach oben gezogen. Zwischen Strömungsabriss und dem dumpfen Aufschlag im Buschwerk links neben der Piste vergeht keine Sekunde. Wir sind vor Entsetzen gelähmt. Ich reiße den Erste Hilfe Koffer aus der Verankerung meines Fliegers und renne mit allen anderen zur Absturzstelle. Auf einmal sind dutzende von Menschen, hauptsächlich Kinder aus den umliegenden Siedlungen auf der Piste. Man hat uns kommen sehen und wollte uns empfangen. Alles ruft durcheinander und rennt ebenfalls zur Unfallstelle. Das Buschwerk ist so dicht und dornig, dass wir das Wrack nicht sofort erreichen. Wir sind erleichtert, als wir die beiden Piloten auf den Tragflächen stehen sehen. Noch unter Schock und völlig verwirrt verharren sie dort. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Glück im Unglück: das dichte Buschwerk hat die Energie des Aufprall abgefangen. Die Beiden kommen mit dem Schrecken davon, ihnen ist zum Glück nichts passiert. Der Schaden beschränkt sich auf das Flugzeug. Die Samba hängt sichtlich lädiert in 2m Höhe im Busch. Die leichte, aber feste Konstruktion aus Kohlefaser und GfK hat schlimmeres verhindert. Prop und Cowling sind zerstört und ein Tragflächenholm ist gebrochen.
Mit Macheten wird die Maschine freigelegt und geborgen. Dank der schnellen Reaktion und guten Organisation der Dorfbewohner dauert das ganze nur 30min. Auf dem Anhänger eines Traktors wird das Wrack ins Innere der Insel gebracht und auf dem Hof der örtlichen Schreinerei abgeladen. Später erfahren wir, dass wir dadurch eine Ordnungswidrigkeit begangen haben. Das Flugzeug hätte bis zur Begutachtung der örtlichen Polizei an der Unfallstelle verbleiben müssen. Wir erhalten die Mitteilung, dass dieses „Vergehen“ mit einer Geldbuße „in nicht näher genannter Höhe“ geahndet werden soll. Bis dahin soll die Ausreise des verantwortlichen Piloten aus Mosambik verhindert werden.
Nach einem Gespräch mit dem verantwortlichen Polizisten vor Ort verdichtet sich das Gefühl, dass unser „Incident“ ein willkommener Anlass ist, um den Verantwortlichen der lokalen Polizei ein lukratives Zusatzeinkommen zu sichern. Diese Botschaft wird uns in den folgenden Tagen noch einige Probleme bereiten.
Auf einer kleinen Insel am „Ende von Mosambik“ läuft nun eine bürokratische Maschinerie warm, die wir diesem Land nicht zugetraut hätten. Die Gouverneurin der Insel nimmt die Organisation in die Hand und koordiniert die Meldung bei Polizei und den lokalen Behörden für Transport und Verkehr sowie die Luftfahrtbehörden von Mosambik und Südafrika über den „Vorfall“. Die Begutachtung der Schäden endet mit der Diagnose: Weiterflug ausgeschlossen! Mit dem Schreiner des Dorfes wird der Bau einer Kiste vereinbart. In dieser soll das Flugzeug die ca. 1.800km Rückreise auf dem Seeweg von Ibo nach Maputo antreten. Ein Transport auf dem Landweg wird wegen der Straßenverhältnisse, der Entfernung und hohen Kosten ausgeschlossen. Vom Hafen in Maputo bis Brits sind es nur noch 500km per LKW auf Landstrassen und Autobahn. An der Situation gemessen, ein brauchbares Szenario also. Für die südafrikanische Versicherung wird die Samba ein letztes Mal Hauptfigur eines Foto-Shootings.
Nachdem die Spitze des bürokratischen Eisberges bezwungen und die wichtigste Avionik aus dem Wrack ausgebaut ist, ziehen wir uns zur Beratung zurück. Was tun mit 10 Piloten und vier 2-sitzigen Flugzeugen? Schnell ist klar, für die beiden Piloten der Unfallmaschine ist die Reise beendet. Besonders wegen der Aussage der örtlichen Polizei müssen die Beiden das Land umgehend verlassen. Die Organisation der Rückreise verschieben wir auf den nächsten Tag und suchen statt dessen nach einer Unterkunft. Die Suche wird zum Abenteuer. Die empfohlene Pension eines schweizer Ehepaares ist ausgebucht. Ebenso alle anderen Pensionen. Uns bleibt nur noch die Übernachtung im mondänen Luxushotel „Ibo Island Lodge“. Das Hotel bietet einen bizarren Kontrast zum einfachen Leben der einheimischen Bevölkerung. Die Übernachtung mit 300,- US$ p.P. ist trotz exzellentem Service nicht mehr in der Realität angesiedelt, in einem Land dessen durchschnittliches Jahreseinkommen je Einwohner 100 US$ beträgt. Es wird sich zeigen, ob dies der richtige Weg ist, um den Tourismus in diesem wunderbaren Land anzukurbeln. Nach heftigem feilschen und harter Verhandlung erreichen wir einen Nachlass von 50%. 150 US$ pro Nacht und Person sind zwar immer noch ein stolzer Preis, aber nach der ganzen Aufregung sind wir froh, überhaupt eine Unterkunft zu haben.
Abends beim Bier wird der Unfall noch mal rekonstruiert. Es bleibt nicht viel zu sagen, es war ein Pilotenfehler. Wir beginnen mit der Planung des Rückfluges und trösten uns damit, dass unseren Freunden nichts passiert ist.
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